Landesregierung beruft Jutta Rübke zur Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der Schicksale im Zusammenhang mit dem sogenannten Radikalenerlass
Die Landesregierung setzt damit eine auf einen Antrag der Regierungsfraktionen basierende Bitte des Landtages aus dem Dezember 2016 um und schafft die Voraussetzungen, dass endlich ein weit zurückliegendes, unrühmliches Kapitel aufgearbeitet wird.
Rübke ist 70 Jahre alt und in ihrer aktiven Berufslaufbahn unteranderem lange bei der Gewerkschaft ÖTV (später Verdi) tätig. Von 2003 bis 2013 war sie Mitglied des Niedersächsischen Landtags.
Hintergrund
Vorläufer des Radikalenerlasses war der sogenannte Extremistenbeschluss („Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst“) von 1972. Am 28. Januar 1972 hatte die Ministerpräsidentenkonferenz gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt die Regelung beschlossen. Zur Abwehr angeblicher Verfassungsfeinde sollten „Personen, die nicht die Gewähr boten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten“ aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten oder entlassen werden. Das wurde festgehalten im „Gemeinsamen Runderlass der Ministerpräsidenten und aller Landesminister zur Beschäftigung von rechts- und linksradikalen Personen im öffentlichen Dienst vom 18. Februar 1972“.
Formell richtete sich der Erlass gegen „Links- und Rechtsextremisten“, in der Praxis traf er aber vor allem politisch Aktive legaler linker Gruppierungen: Mitglieder kommunistischer, sozialistischer und anderer Organisationen bis hin zu Friedensinitiativen. Den Betroffenen wurden fast ausnahmslos legale politische Aktivitäten, wie die Kandidatur bei Wahlen, die Teilnahme an Demonstrationen oder das Mitunterzeichnen politischer Erklärungen vorgeworfen.
In Niedersachsen waren über 130 Personen unmittelbar durch den sogenannten Radikalenerlass betroffen, vor allem im Schuldienst. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden bestimmte Bewerberinnen und Bewerber nicht eingestellt oder entlassen. Viele Betroffene mussten sich nach zermürbenden und jahrelangen Prozessen beruflich anderweitig orientieren.
Die erste rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen hob 1990 unmittelbar nach Amtsantritt den „Radikalenerlass“ und alle dazu ergangenen Beschlüsse auf, eine vollständige politische und gesellschaftliche Rehabilitierung der Opfer steht jedoch weiterhin aus. Dies wird nunmehr die neue Landesbeauftragte angehen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
31.01.2017
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