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Niedersachsen bekommt erstmals Jugendarrest-Vollzugsgesetz: Arrest konsequent pädagogisch nutzen – Vollzug nur noch in Arrestanstalten

Die Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom (gestrigen) Dienstag den Entwurf eines Gesetzes zum Vollzug des Jugendarrests in Niedersachsen vorgelegt, der künftig die gesetzliche Grundlage für den Jugendarrestvollzug in Niedersachsen darstellen soll. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Arrestantinnen und Arrestanten künftig noch stärker als bisher gefördert und unterstützt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der optimierten Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Institutionen schon während des Arrestes. Dies ist vor dem Hintergrund, dass rund 20 bis 25 Prozent der in Niedersachsen vollstreckten Jugendarreste Schulschwänzer betrifft, von besonderer Bedeutung.

Bei der Erarbeitung der Gesetzesnovelle standen Fragen im Vordergrund wie: Auf welche Weise will Niedersachsen den gegen Jugendliche und Heranwachsende verhängten Arrest künftig gestalten? Reicht die abschreckende Wirkung aus, dass die Arrestantinnen und Arrestanten vergitterte Fenster von innen sehen oder soll die Zeit hinter Gittern konsequent genutzt werden, damit eine soziale Integration gelingen kann?

Im Entwurf lege Niedersachsen, so Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz, den Schwerpunkt darauf, die Zeit im Arrest zu nutzen, um die Weichen für ein ohne Straftaten gelingendes Leben zu stellen. Dies setze eine intensive Betreuung der jungen Menschen voraus. Wichtig sei es, zu erkennen, welche Gründe zum Arrest geführt haben. Bloßes Einsperren bringe gar nichts, so die Ministerin.

Zentrales Ziel des Gesetzentwurfs ist daher, die Zeit im Arrest für die positive Entwicklung der Betroffenen zu nutzen. Sie sollen nach landesweit einheitlichen Vorgaben darin unterstützt werden, in der Zukunft ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung zu führen. Deshalb schärft der Gesetzentwurf den erzieherischen Grundgedanken des Jugendarrestes und die Ausrichtung auf das Ziel der sozialen Integration.

In dem Gesetzentwurf sind verschiedene pädagogische Fördermaßnahmen (z.B. Auseinandersetzung mit dem begangenen Unrecht, Ursachen und Folgen der Tat, Förder- und Hilfsangebote außerhalb des Vollzugs aufzeigen und bei Kontaktaufnahme unterstützen) vorgesehen, die insbesondere darauf abzielen, die sozialen und persönlichen Kompetenzen der jungen Menschen zu verbessern, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten zu ordnen und neue Perspektiven für eine schulische und berufliche Entwicklung anzuregen.

Darüber hinaus soll die Maßnahme künftig ausschließlich auf die fünf Jugendarrestanstalten Niedersachsens in Emden, Nienburg, Verden, Neustadt und Göttingen reduziert werden. Bislang wird der Kurz- und Freizeitarrest auch noch in einigen Amtsgerichten vollzogen. Dies bietet zwar den Vorteil der örtlichen Nähe zum Wohnort, die Amtsgerichte haben aber weder die baulichen noch die personellen Voraussetzungen, um den mit dem Gesetz verbundenen erhöhten Anforderungen bei der Betreuung von Arrestantinnen und Arrestanten gerecht werden zu können.

Der Entwurf des Gesetzes geht jetzt in die Verbandsbeteiligung.

Hintergrund

2014 wurden in Niedersachsen rund 4.000 Jugendarreste vollstreckt, davon etwa 200 Kurz- und Freizeitarreste in Amtsgerichten.

Bisher war der Vollzug des Jugendarrests nur unzureichend in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung aus dem Jahr 1976 geregelt. Dies entspricht nicht mehr den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Wegen der Grundrechtseingriffe ist eine gesetzliche Grundlage zwingend erforderlich. Seit der Föderalismusreform (2006) liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Von dieser macht Niedersachsen nun Gebrauch und bringt ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechendes, modernes, konsequent am Erziehungsgedanken ausgerichtetes Gesetz auf den Weg. Darüber hinaus besteht Handlungsbedarf, weil die Rückfallquoten mit 60 Prozent viel zu hoch sind. Mit dem Jugendarrestvollzugsgesetz setzt die Landesregierung ein wichtiges justizpolitisches Anliegen um.

Als kurzzeitige stationäre Freiheitsentziehung für Personen, die zum Zeitpunkt der Tatbegehung Jugendliche oder Heranwachsende waren (14 bis 21-Jährige), steht der Jugendarrest zwischen den Erziehungsmaßregeln und der Jugendstrafe. Jugendarrest wird in der Regel dann verhängt, wenn eine Verwarnung oder die Erteilung von Weisungen und Auflagen nicht mehr ausreicht, um bei dem jungen Menschen das Bewusstsein zu entwickeln, dass er für das begangene Unrecht einzustehen hat, eine Gefängnisstrafe aber noch nicht geboten ist. Damit stellt der Jugendarrest die letzte Sanktion vor der Jugendstrafe im Gefängnis dar.

Der Jugendarrest unterteilt sich in Freizeit-, Kurz- und Dauerarrest. Ein Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt. Der Kurzarrest kann ersatzweise für den Freizeitarrest verhängt werden und umfasst zwei bis vier Tage.

Neben der direkten Anordnung im Urteil durch den Jugendrichter kann der Jugendarrest auch dann verhängt werden, wenn vorher ausgesprochene Weisungen oder Auflagen wie beispielsweise Ableisten von Sozialstunden oder Trainingsmaßnahmen nicht erbracht oder wenn Geldbußen (etwa wegen Schule schwänzen) nicht gezahlt wurden. Über die Hälfte der Betroffenen kommt nicht primär in den Arrest, sondern hat Weisungen oder Auflagen von Richterinnen und Richtern nicht erfüllt.

Presseinformationen

Artikel-Informationen

erstellt am:
29.04.2015

Ansprechpartner/in:
Pressestelle der Niedersächsischen Landesregierung

Nds. Staatskanzlei
Planckstraße 2
30169 Hannover
Tel: 0511/120-6946
Fax: 0511/120-6833

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