Rede von Stephan Weil, Niedersächsischer Ministerpräsident, im Deutschen Bundesrat zur Abschaffung des Kooperationsverbotes bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung am 19. Dezember 2014
Anrede,
natürlich wird Niedersachsen der Änderung des Grundgesetzes zustimmen. Wir beschließen heute die längst überfällige Korrektur eines Fehlers, der nicht ernsthaft bestritten werden kann. Die Föderalismusreform des Jahres 2006 brachte das Ende der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau von Bund und Ländern. Sie war gleichzeitig die Geburtsstunde des Kooperationsverbotes, das Bundeszuwendungen nur noch in Bereichen zulässt, in denen der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat.
Acht Jahre später wissen wir es besser. Die Entwicklung von Lehre und Forschung an unseren Hochschulen liegt gleichermaßen im Interesse des Bundes und der Länder. Es gibt ein gesamtstaatliches, ein gesamtgesellschaftliches Interesse daran, dass Deutschland qualifizierten Nachwuchs hat und eine den höchsten Maßstäben gerecht werdende Wissenschaft. Das geht nur, wenn alle betroffenen politischen Ebenen sich dafür anstrengen. Es handelt sich um eine Daueraufgabe, befristete Hilfen fördern möglicherweise einen uferlosen Projektantismus, aber keine verlässlichen Strukturen. Kurz und gut: In Bezug auf die Wissenschaftsförderung stimmt Niedersachsen der Grundgesetzänderung aus Überzeugung zu.
Aber das kann doch nicht alles gewesen sein! Wenn wir uns einig sind über die gesamtstaatliche Aufgabenstellung bei Forschung und Lehre, ist das nur ein erster Schritt. Welcher der soeben geäußerten Gedanken hat nicht ebenso viel Berechtigung für alle anderen Bereiche von Bildung und Qualifizierung in unserem Land? Ist nicht eine möglichst gute frühkindliche Förderung die zwingend notwendige Grundlage dafür, dass alle jungen Menschen in unserem Land alle ihre Talente voll entfalten können? Ist nicht die gebundene Ganztagsschule für immer mehr Kinder aus bildungsferneren Familien in unserem Land dringend notwendig, damit sie eine bestmögliche Förderung erhalten? Und wollen wir wirklich weiter zuschauen, dass Menschen mit und ohne Behinderungen äußerst ungleiche Chancen in unserem Land haben, weil die Inklusion nur in Trippelschritten vorankommt?
In den Ländern geben wir uns in dieser Hinsicht die allergrößte Mühe, Länder und Kommunen tragen mehr als 90 Prozent der mit Bildung verbundenen Kosten. Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse geht vielerorts aber nun einmal nicht mehr, so sehr sich die Verantwortlichen auch anstrengen. Und gleichzeitig sehen wir die großen Herausforderungen, die vor der Haustür stehen. Im Jahr 2030, bis dahin sind es nur noch 15 Jahre, ist die Zahl der 17 bis 25-jährigen um ein Fünftel gesunken, so sagen es die Prognosen. Unser Land braucht dringend qualifizierte junge Nachwuchskräfte und die dafür wichtigste Gruppe geht stark zurück. Das schreit meines Erachtens geradezu danach, die Fachkräftesicherung in den Mittelpunkt aller Anstrengungen zu rücken – in den Kommunen, in den Ländern und eben auch beim Bund.
Es lässt sich nicht weginterpretieren: In Deutschland investieren wir viel zu wenig in die Förderung und Qualifizierung junger Menschen. Weniger als der Durchschnitt der OECD-Staaten! Das kann sich ein Land nicht leisten, das vor enormen demographischen Herausforderungen steht und wie kaum ein anderes auf qualifizierte Menschen angewiesen ist.
Unseren heutigen Beschluss sehe ich als richtigen Schritt an, aber eben nur als einen ersten Schritt. Konsequent und klug wäre es, das Kooperationsverbot insgesamt zu streichen. Ich sage das auch und gerade als überzeugter Föderalist. Niemand von uns wünscht sich ein Bundesjugendamt oder ein Bundesschulamt, aber gegen Vereinbarungen zwischen dem Bund und allen Ländern kann es eigentlich keine prinzipiellen Bedenken geben.
Kurzum: Niedersachsen stimmt mit Freude zu. Die Freude wird noch größer sein, wenn wir bald gemeinsam das Kooperationsverbot insgesamt aus dem Grundgesetz streichen.
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erstellt am:
19.12.2014
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