Zwangsbehandlung mit Medikamenten soll künftig wieder nach strengen Vorgaben und unter Einbeziehung von Sachverständigen möglich sein – Kabinett spricht sich für Reform des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes aus
Psychisch Kranke, die in den niedersächsischen Maßregelvollzugs-Zentren untergebracht sind, durften seit einem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2011 grundsätzlich nicht mehr mit Medikamenten zwangsbehandelt werden. Das soll sich nun ändern. Das Landeskabinett hat sich heute für eine Änderung des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes (Nds. MVollzG) ausgesprochen. „Das generelle Verbot einer Zwangsmedikation hat seit 2011 in Einzelfällen zu einer großen Belastung sowohl des Personals als auch der Patientinnen und Patienten geführt, denn in bestimmten Situationen blieb als einzige Möglichkeit zur Beruhigung der Lage nur noch die Fixierung des oder der Betreffenden", erläutert Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt: „Künftig soll es wieder möglich sein, nach strengen Vorgaben und unter Einbeziehung von Sachverständigen eine Zwangsmedikation vorzunehmen." Eine Zwangsbehandlung ist nur im Notfall, also bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung erlaubt.
Die Gesetzesänderung, die nun dem Landtag vorgelegt werden soll, ist nach intensiver Beratung und unter Beteiligung vieler Einrichtungen erstellt worden. In einem richtungsweisenden Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht 2011 entschieden, dass die Gesetzeslage zur Zwangsbehandlung in den meisten Bundesländern nicht mit dem „Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit“ vereinbar ist, so auch in Niedersachsen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in diesem Zusammenhang das „Recht auf Krankheit“ betont, das auch für psychisch Kranke gelte. In der Folge waren fast alle Bundesländer aufgerufen, ihre Gesetze zur Behandlung von psychisch Kranken in Einrichtungen des Maßregelvollzugs zu überarbeiten. Dies sei in Niedersachsen jetzt gelungen, so Cornelia Rundt: „Mit der vorliegenden Novellierung wird ein besserer Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Patientinnen und Patienten durch psychisch kranke Straftäterinnen und Straftäter erreicht – und zwar unter Einhaltung der Grundrechte." Die Beschäftigten müssten sich an klare Vorgaben halten, die die Bedingungen für eine Zwangsbehandlung festschreiben, so die Ministerin.
Rundt stellt klar: „Es gibt Menschen, die krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, mit klaren Sinnen eine Entscheidung zu ihrer Behandlung zu treffen. Ziel einer Zwangsbehandlung muss aber immer die Wiederherstellung der Selbstbestimmung der Patientin oder des Patienten sein. Sie ist nur nach Einhaltung gesetzlich vorgegebenen Handlungsanweisungen möglich und wird von externen Sachverständigen überprüft." Dafür will das Kabinett mit der Novellierung des MVollzG die Grundlage schaffen.
Die Novellierung des Niedersächsischen Gesetzes für Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) folgt als nächstes. In diesem Gesetz werden entsprechende Regelungen für die Zwangsbehandlung von Patientinnen und Patienten auch in anderen psychiatrischen Einrichtungen getroffen.
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erstellt am:
04.03.2014
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