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Aktuelle Dissertation: Ministerpräsident Stephan Weil eröffnet kritische Debatte über das Lebenswerk von Hinrich Wilhelm Kopf

„Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) – Ein konservativer Sozialdemokrat“ ist der Titel einer Doktorar­beit über das Leben des ersten niedersächsischen Minister­präsidenten, verfasst von der Göttinger Historikerin Teresa Nentwig. Der niedersächsische Ministerpräsident stellte das Buch am (heutigen) Donnerstag in Hannover der Öffentlichkeit vor. Weil dankte der Autorin für die sehr differenzierte Aufarbeitung des Lebens von Hinrich Wilhelm Kopf, die eine kritische Debatte über das Leben Kopfs eröffne.

Weil referierte zunächst den wechselhaften Lebensweg Kopfs. Er betonte dabei das einzigar­tige Verdienst von Hinrich Wilhelm Kopf, trotz zahlreicher Widerstände und höchst unterschied-li­cher Bevölkerungsgruppen 1946 das Land Niedersachsen geschaffen zu haben. Hinrich Wil­helm Kopf war Gründungsvater Niedersachsens und nicht nur erster niedersächsi­scher Ministerpräsi­dent, sondern – nach Ernst Albrecht – auch der mit der längsten Amtsdauer (1946 bis 1955 und 1959 bis 1961).

Kopf war ein hoch engagierter, legendärer Landesvater, der jovial, freundlich, stets allen Freu­den des Lebens zugewandt, perfekt dem Bedürfnis seiner Zeit nach einer Vaterfigur entspro­chen hat. Er war selbst als Flüchtling nach Niedersachen gekommen, die Vertriebenen konnten sich ebenso mit ihm identifizieren wie die Einheimischen.

Neben den heraus­ragenden Verdiensten bei der Gründung Nieder­sachsens gebe es jedoch, so Weil, deutliche Risse im Denkmal von Hinrich-Wilhelm Kopf, Risse, die ihren Grund in den Jah­ren 1933 bis 1945 finden.

Die Historikerin Nentwig habe in ihrer Doktorarbeit sehr detailliert herausgearbeitet, dass die beruflichen Tätigkeiten Kopfs in den Jahren zwischen 1933 und 1945 auf der zunehmenden Notlage seiner jüdischen Mandantschaft beruhten. Kopf hatte als Geschäftsmann an der „Arisie­rung“ jüdischer Unternehmen und dem Verkauf jüdischer Häuser kräftig verdient.

Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen war Kopf in der sog. „Haupttreuhandstelle Ost“ direkt für die Nationalsozialisten tätig. Die „Haupttreuhandstelle“ hatte eine zentrale Rolle bei der ökonomischen „Germanisierung“ Polens. Kopf war unmittelbar beteiligt an der systemati­schen Enteignung von Juden und Polen, auf deren bürgerliche und wirtschaftliche Entrechtung in vielen Fällen die physische Vernichtung folgte.

Weil nannte ein weiteres Beispiel: Kopf verwaltete das jüdische Gemeindevermögen in dem polnischen Dorf Czieschowa und verkaufte in dieser Funktion u.a. die Grabsteine des jüdischen Friedhofes. Stolz teilte er seinem Vorgesetzten am Ende den Erlös von 6.000 Reichsmark mit. Die Grabsteine wurden anschließend für den Straßenbau missbraucht.

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, zitierte Ministerpräsident Weil Theodor W. Adorno und fordert seine eigene Partei, der Kopf angehörte, aber auch alle Niedersachsen zu einer kritischen öffentlichen Debatte über das Lebenswerk von Hinrich Wilhelm Kopf auf.

Welche Folgen hat das jetzt so deutlich herausgearbeitete hoch problematische Verhalten Kopfs in der NS-Zeit für die Straßen und Schulen, die bis heute nach Hinrich Wilhelm Kopf be­nannt sind, frage er sich und die Bürgerinnen und Bürger Niedersachsen, sagte Weil. Er bat gleichzeitig die Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen unter dem Vorsitzen­den Prof. Dr. Thomas Vogtherr um Unterstützung und Beratung bei diesem jetzt anstehenden schwierigen Prozess.

Buchhinweis:

Theresa Nentwig „Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) – Ein konservativer Sozialdemokrat“, 940 Seiten, Hahnsche Buchhandlung Hannover. ISBN 978-37752-6072-5

Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite der der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen.

Presseinformationen

Artikel-Informationen

erstellt am:
06.06.2013
zuletzt aktualisiert am:
13.06.2013

Ansprechpartner/in:
Frau Anke Pörksen

Nds. Staatskanzlei
Regierungssprecherin
Planckstraße 2
30169 Hannover
Tel: 0511/120-6946
Fax: 0511/120-6833

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