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Zukunftspakt für die Windenergie

Ministerpräsident Stephan Weil hat am (heutigen) Mittwoch gemeinsam mit Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann und Umweltminister Olaf Lies sowie dem Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Armin Willingmann, ein ausführliches Gespräch mit Enercon Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig geführt. Im Anschluss an dieses Treffen äußerte Weil sich wie folgt:

Die Entscheidung von Enercon, insgesamt rund 3000 Arbeitsplätze abzubauen, ist eine sehr schlechte Nachricht für die betroffenen Menschen, eine sehr schlechte Nachricht für die betroffenen Regionen und eine sehr schlechte Nachricht für den Klimaschutz in Deutschland.

Wir haben es mit zwei sehr schwerwiegenden Problemen gleichzeitig zu tun: Einerseits hat Enercon erkennbar Schwierigkeiten mit der Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns. Zum anderen aber ist der Kernmarkt des Unternehmens hier in Deutschland in den vergangenen Jahren nahezu kollabiert. Wir haben über viele Jahre hinweg in Deutschland einen konsequenten Aufbau der Windenergie erlebt. Seit 2018 aber sind die Zubauzahlen im Windenergiesektor so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Beide Themen haben bei Enercon zu der Entscheidung eines drastischen Arbeitsplatzabbaus geführt. Die Vertreter der niedersächsischen Landesregierung sind nicht überzeugt davon, dass die Verlagerung der Komponente Rotorblatt ins Ausland alternativlos ist. Wir hätten uns gewünscht, dass der Weg einer stärkeren Automatisierung intensiver geprüft worden wäre. Solche strategischen Entscheidungen aber trifft im Endeffekt eine Unternehmensleitung – hoffentlich im Austausch mit den Sozialpartnern.

Kernbereich und Aufgabe der Politik aber ist das zweite Thema: Wie geht es weiter mit der Windenergie in Deutschland? Enercon ist der größte Anbieter von Windenergieanlagen, aber letztlich hat die gesamte Branche derzeit massive Probleme. Das hat natürlich auch politische Ursachen. Auch wenn wir heute nach vorne schauen wollen und müssen, muss ich darauf hinweisen, dass die Niedersächsische Landesregierung in den letzten Jahren immer wieder darauf aufmerksam gemacht hat, die Windenergiebranche benötige klare Perspektiven. Daran fehlt es nach wie vor und das muss sich rasch und gründlich ändern.

Wir brauchen jetzt schnell grundsätzliche Maßnahmen auf ganz unterschiedlichen Ebenen im Interesse der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und im Interesse des Klimas.

Die Bundesregierung verfolgt erklärtermaßen das richtige, gleichzeitig aber auch ambitionierte Ziel, in zehn Jahren 65 Prozent des deutschen Stroms aus Erneuerbaren Energien zu gewinnen. Große Bereiche unserer im Umbau befindlichen Industrie sind abhängig davon, dass zukünftig der von ihnen genutzte Strom auch und gerade aus Windenergieanlagen kommt. Das schönste Elektroauto bringt uns umweltpolitisch nicht weiter, wenn seine Batterie mit Kohlestrom hergestellt und aufgeladen wird.

Um das 65-Prozent-Ziel zu erreichen, brauchen wir einen gesetzlich verbindlichen Zubaupfad für Onshore-Wind von fast 5 GW jährlich. (Hinweis: Aktuell schaffen wir nicht einmal die an sich geplanten 2,8 GH jährlich.) Hinzukommen müssten 2 GW Offshore-Wind, 10 GW Photovoltaik, 600 MW Bioenergie, 50 MW Wasserkraft und 50 MW Geothermie. Für ein Gelingen des Klimaschutzes in Deutschland ist die Windenergie also unverzichtbar.

Die Windenergiebranche – und nicht nur Enercon befindet sich jedoch derzeit in einer Krise und es ist nicht erkennbar, dass die Talsohle bereits durchschritten ist. Nötig ist ein Zukunftspakt für die Windenergie, um sehr schnell wieder Fahrt aufzunehmen.

Wichtiges Element eines solchen Masterplans muss eine konsequente Erleichterung von Repoweringmaßnahmen sein. Ab 2020 endet die garantierte Einspeisevergütung für EEG-Windenergieanlagen der ersten Generation. Existierende Standorte müssen repowert, also erneuert und ertüchtigt werden. Dafür sind jedoch zunächst umfangreiche baurechtliche, planerische oder immissionsschutzrechtliche Hürden zu überwinden. Unsere dringende Forderung ist, sich dabei ausdrücklich auf neue Aspekte zu beschränken, zum Beispiel eine andere Höhe der Windanlagen.

Neben der Ertüchtigung bestehender Anlagen brauchen wir schon in 2020 und 2021 zusätzliche Sonderausschreibungen, um die vereinbarte Menge überhaupt realisieren zu können. Und gegebenenfalls sollten wir noch einen Schritt weiter gehen und bis zu der europarechtlich zulässigen De-Minimis-Schwelle von bis zu 18 MW neue Windparks auch ohne Ausschreibung errichten lassen.

Für neue Windenergieanlagen aber benötigen wir eine rasche Bereitstellung geeigneter Flächen. Alle bisherigen Einschränkungen müssen dabei auf den Prüfstand. Flugsicherung beispielsweise ist vorrangig, aber auch hier muss genau analysiert werden, welche Vorgaben wirklich notwendig sind. Für die niedersächsische Landesregierung möchte ich zudem ausdrücklich unterstreichen, dass wir von einer starren 1000 m Abstandsregelung nichts halten. Das würde noch einmal zu einer drastischen und unverhältnismäßigen Reduzierung der verfügbaren Flächen führen.

Wir stehen bereit, sehr rasch mit dem Bund darüber zu reden, welche gesetzlichen Vereinfachungen und Beschleunigungen von Genehmigungsverfahren möglich sind. Dafür ist eine zeitnahe und umfangreiche Klärung der Konflikte mit dem Artenschutz notwendig. Es muss eine Verbindung von Artenschutz und Klimaschutz gelingen.

Der Klimaschutz in Deutschland steht inmitten einer Bewährungsprobe: Ohne Windenergie werden die Ziele, die wir uns gesetzt haben, nicht erreichbar sein.

Zusammen mit der IG-Metall und den Mitarbeitervertretungen werden wir versuchen, die schwierige Situation der von dem Arbeitsplatzabbau betroffenen Menschen zu erleichtern und neue Perspektiven aufzuzeigen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.11.2019

Ansprechpartner/in:
Pressestelle der Niedersächsischen Landesregierung

Nds. Staatskanzlei
Planckstraße 2
30169 Hannover
Tel: 0511/120-6946
Fax: 0511/120-6833

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