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Niedersachsen in Europa

Politische Gespräche und Niedersächsisches Grünkohlessen in Brüssel


Um kurz nach ein Uhr Mittag hat für Ministerpräsident Stephan Weil und Europaministerin Birgit Honé am Dienstag, 18. Februar 2020, ein Reigen von Gesprächen mit fünf Kommissionsmitgliedern und mit dem Leiter der Task Force for Relations with the United Kingdom begonnen.

Zunächst trafen die beiden mit Nicolas Schmit zusammen. Er ist Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte. Trotz einer aktuell enorm hohen Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter, machten, so Stephan Weil, viele Menschen in Niedersachsen sich Sorgen, wie sich Digitalisierung und Klimaschutzmaßnahmen auf ihre Jobs auswirken werden. Beruflicher Bildung und Weiterbildung kämen deshalb eine immer stärkere Bedeutung zu. Nicolas Schmit vermutet angesichts der enormen Transformationsprozesse bei fast der Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU Weiterbildungsbedarf.

Die mit dem European Green Deal verbundenen Chancen für Niedersachsen, aber auch die Herausforderungen waren ein Schwerpunkt des Gesprächs mit Dr. Ursula von der Leyen, der Präsidentin der Europäischen Kommission. Stephan Weil betonte in dem Gespräch, wie wichtig es sei, dass diesmal nicht nur ambitionierte Ziele vorgegeben würden, sondern auch ein realistisches Drehbuch mitgeliefert würde. Die Klimawende werde letztlich nur gelingen, wenn in Europa der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft forciert würde. Niedersachsen stünde bereit! Die norddeutsche Industrie müsse auch mit Brüsseler Hilfe ertüchtigt werden für eine weitgehend CO2-freie Produktion.

Stephan Weil hat bei der Kommissionspräsidentin auch die Probleme der niedersächsischen Landwirtschaft angesprochen. Er wisse, dass Deutschland bei der Umsetzung der Nitrat-Richtlinie zu lange seine Hausaufgaben nicht gemacht habe. Die niedersächsischen Landwirtinnen und Landwirte seien seinem Eindruck nach bereit zu Veränderungen im Umgang mit Düngemitteln. Die sehr strengen Auflagen aber müssten nachvollziehbar und im Einzelfall gerechtfertigt sein. Notwendig sei ein Wechsel hin zum Verursacherprinzip und eine stärkere Differenzierung in den sogenannten Roten Gebieten. Nachgebessert werden müsste seiner Ansicht nach insbesondere der Umgang mit Grünland. Dessen CO2- und nitratspeichernde Wirkung werde bislang zu wenig berücksichtigt. Von der Leyen signalisierte, dass sich die EU-Kommission inzwischen mit der Bundesregierung im Grundsatz geeinigt habe. Diese Einigung werde tags darauf im Bundeskabinett behandelt.

Über seine Vision einer ökologischen Industriepolitik, die auch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berücksichtige, hat sich Ministerpräsident Weil auch mit dem Kommissar für Binnenmarkt und Industrie, Thierry Breton, ausgetauscht. Die niedersächsische Industrie sei, so Weil, sehr engagiert auf dem Weg hin zu klimaneutralen Produktionsprozessen. Umweltfreundliche Produkte aber müssten auf europäischer Ebene geschützt werden gegen den Import klimaschädlicher Billigimporte, ergänzte Europaministerin Birgt Honé.

Dass Niedersachsen auch nach dem Brexit großes Interesse an stabilen Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich hat, hat der Ministerpräsident in dem Gespräch mit dem Leiter der Task Force for Relations with the United Kingdom, Michel Barnier, unterstrichen. Schon in den vergangenen Jahren ist der Export insbesondere im Bereich der Automobilindustrie zurückgegangen. Thema war auch die nach wie vor schwierige Situation der niedersächsischen Fischereibetriebe. „Sie brauchen auch über 2020 hinaus die Sicherheit, in britischen Hoheitsgewässern fischen zu dürfen“, unterstrich Birgit Honé.

Künstliche Intelligenz (KI) in Niedersachsen war Gegenstand einer kleinen Reise des Ministerpräsidenten in der Woche zuvor. Am Mittwoch, 19. Februar 2020, soll ein Weißbuch der Kommission veröffentlicht werden, das europäische Maßstäbe für einen ethisch angemessenen Umgang mit KI aufzeigen soll. Mit der für Digitalisierung zuständigen Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margarethe Vestager, hat Stephan Weil sich unter anderem über die Chancen, aber auch die Gefahren eines immer breiteren Einsatzes von KI in vielen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen ausgetauscht.

Am Abend fand das traditionelle Niedersächsische Grünkohlessen in der Vertretung des Landes Niedersachsen bei der Europäischen Union statt. Ehrengast und Festredner war Dr. Johannes Hahn, der Kommissar für Haushalt und Verwaltung.

Mit Dr. Hahn tauschte sich der Ministerpräsident am Rande der Abendveranstaltung über die Herausforderungen eines nach Ausscheiden der Briten zukünftig kleineren EU-Haushalts aus. In der Förderperiode 2021 bis 2027 wird sich auch Niedersachsen auf einen Rückgang der EU-Fördermittel einstellen müssen. Umso wichtiger werde, so Weil, ein noch gezielterer Einsatz der Finanzmittel. „Keine Gießkanne mehr“, so der Ministerpräsident, „sondern Fokussierung und kluge Bündelung der Gelder aus verschiedenen Töpfen!“ Hier komme Niedersachsen der bereits seit Längerem praktizierte Multifondsansatz zugute, so ein Hinweis von Birgit Honé.

Hintergrund zum Grünkohlessen:

Seit 1991 laden die jeweils amtierenden Niedersächsischen Ministerpräsidenten zum traditionellen Grünkohlessen in die Niedersächsische Landesvertretung nach Brüssel ein. Diesjährige Partnerregion ist der Landkreis Emsland (Landrat Marc-André Burgdorf). Beliebt sind die Darlegungen von Günther dem Treckerfahrer (Dietmar Wischmeyer) zu Lage, Land und Leuten in Niedersachsen und Europa.

Auch in diesem Jahr wurden wieder rund 300 hochrangige Gäste aus der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem Diplomatischen Corps sowie der in Brüssel tätigen Medien, Verbände und Vertretungen anderer Regionen erwartet. Verspeist werden, so wie auch in den vergangenen Jahren, rund 120 Kilogramm niedersächsischer Grünkohl.

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.02.2020
zuletzt aktualisiert am:
21.04.2020

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